Das Bohrloch

So schnell kann´s also gehen... Samstagmorgen, 5 Uhr und ich sitze in meinem neuen rollenden Arbeitsplatz in Glinde. Die kleine Stadt am Rande Hamburgs hat, insbesondere seit dem 2. Weltkrieg, eine bewegte Geschichte hinter sich (z.B. Flüchtlinge aus dem zerbombten Hamburg). Was aber viel wichtiger ist, sie kämpft seit 2011 gegen einen Bekleidungsladen der braunen Szene: Kein Laden für Nazis in Glinde!


Quelle: notonsberg.de


Mein erster Auftrag führte ich mich zur "Wunderbar", einer Kneipe im Ortsteil Wiesenfeld, wo ein gut angetrunkenes Päarchen auf mich wartete. Sie setzte sich nach hinten, er nach vorne. Alkoholgeruch breitete sich in meinem Auto aus, aber es war zu ertragen. Genau wie die Beiden. Die Zieladresse in benachbarten Neu-Schönningstedt war mir unbekannt (wusste gar nicht, daß ich doch nicht alle Strassen kenne..--)), aber sie führte mich mehr oder weniger sicher dort hin.
Am Ziel zückte ihr Freund ein Portemonnaie, dick gefüllt mit Geldscheinen, bezahlte großzügig und bedankte sich. Alles gut.
Kaum parkte ich wieder am Taxistand, klingelte mein Handy. Mein Chef. Ob ich ein Portemonnaie im Auto finden könne? Die Kunden von eben hatten angerufen und vermissten eben dieses.
Ich durchsuchte das Auto, fand aber nichts.

Kurze Zeit später klingelte es erneut. Ob ich nochmals nachsehen könne, es seien schließlich 2.000 € (!) darin gewesen! Wer, bitte, trägt in einer Nachtkneipe 2.000 € mit sich herum? Wie auch immer, auch die erneute Suche ergab nichts. Der Kunde musste sein Geld beim Aussteigen verloren haben, aber auch die persönliche Suche meines Chefs vor Ort brachte es nicht mehr zu Tage.
Vermutlich lag´s irgendwo im Haus und in seinem Suff fand der Kunde es nicht mehr. Ich konnte es nicht ändern, wunderte mich einfach nur noch über so viel Leichtsinn.

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Gegen 8.30 Uhr stieg ein älteres Paar ein, die zum Hauptbahnhof wollten. Gleich nach den ersten Metern entwickeltes sich ein Gespräch, welches vor allem um "mich" ging. Also eigentlich nicht um mich persönlich, sondern um meine Nationalität.

  • "Wissen Sie, ich habe mein Leben lang beruflich mit Ausländern, speziell mit Asylbewerbern, zu tun gehabt. Nichts liegt mir ferner als Ausländerfeindlichkeit. Aber ich freue mich trotzdem, endlich mal wieder mit einem Deutschen zu fahren! Die Gespräche mit ihren ausländischen Kollegen sind oft so mühsam." meinte die alte Dame. 
Das ist ein Problem, über das ich schon oft mit Kunden gesprochen habe. Schlimm ist nur, daß man sehr schnell in die rechte Ecke gestellt wird, wenn man sich so äußert. Aber die Kunden, die dieses tun, sind keine Rassisten oder braun gesinnte Zeitgenossen. Sie fühlen sich oft einfach nicht verstanden und vielleicht auch ein wenig fremd, wenn sie von Fahrern aus dem arabischen Raum, aus Afrika oder sonst woher gefahren werden.... 
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Der Knüller des Tages kam im Jogginganzug direkt aus dem Reinbeker Krankenhaus. Hellblau glänzend, dürr, aber die Haare mit blonden Strähnchen verziert. Ein Mann Ende 50. Er tat sich sichtlich schwer, die richtige Sitzposition zu finden. Ich dachte erst, er hätte Schmerzen im Oberschenkel, aber dann klärte er mich auf.
  • "Ich bin am A...sch operiert worden und kann kaum sitzen"
Aha. Lecker. 
  • "Man hat mir eine Ziste aus dem Darm entfernt."
Interessant!
  • "Wissen Sie, heute Morgen musste ich mich duschen und die Krankenschwester hat mir soooo ein langes Ding aus dem Darm gezogen... Direkt aus dem "Bohrloch"!"
Zum Glück lag mein Frühstück doch schon ein paar Stunden zurück, sodaß es den Weg nach oben nicht mehr finden konnte. 

Ich lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema, bevor er noch weiter ins Detail gehen konnte. 
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