Flatrate im Rotlichtmilieu

Der Tag begann wenig vielversprechend. Gut 1 Stunde musste ich am Taxistand warten, bis nebenan der Bäcker öffnete und ich mir zumindest einen Kaffee und ein Franzbrötchen holen konnte...
Die Verkäuferin sah mit vorwurfsvollem Blick auf die Uhr (5.57 Uhr), als ich nach Essen und Trinken verlangte, aber das war mir Wurst.

Danach kam auch das Geschäft langsam in Fahrt. Ganz langsam. Ein paar Dialyse-Fahrten, Omi´s mit vollen Einkaufstaschen, usw.
Es war schon 16 Uhr und die letzte Arbeitsstunde des Tages war eingeläutet. Die Zentrale rief den Stand, der Stand war nicht besetzt, also gab sie den Auftrag frei - ich meldete mich dafür. Bei der angegebenen Adresse wartete ein junge Frau (Anfang 30, vorderasiatischer Typ, schlank, eher klein) auf mich und stieg ein.

  • "In den Albert-Schweitzer-Ring, HH-Rahlstedt, bitte.!"
Albert-Schweitzer-Ring? Die Straße kam mir bekannt vor. Klar! Dort hatte ich vor Kurzem ein Vorstellungsgespräch! Die Bewerbung hatte ich dann zurück gezogen. Nicht wegen der Adresse, sondern wegen der Firma..--)). 
  • "Die Straße kenne ich."
  • "Ja? Ok, dann bitte zum Puff dort.."
  • "Da ist ein Puff?"
  • "Ja und ich arbeite dort..."
Ahaaa...--))
  • "..als Barfrau."
Ach sooo..--((

Nachdem sie mit ihrer Kollegin, die dort schon auf sie wartete, ausführlich telefoniert hatte, kamen wir beide dann auch ins Gespräch. Klar, das Thema war zu interessant, als daß ich es ignorieren konnte. 
  • "Zahlt Ihr Club denn Provision an Taxifahrer?"
  • "Nein, das machen nur andere. Wir nicht."
Wer´s glaubt..
  • "Wieviel Eintritt verlangen Sie denn?"
  • "Keinen Eintritt. Unsere Kunden zahlen nur für Getränke und die Mädchen. Die Preise sind bei uns völlig im normalen Bereich."
Wollte sie testen, ob ich wüsste, was "Mädchen" pro Stunde kosten?
  • "Sorry, da muß ich passen. Ich habe von "normalen" Preisen keine Ahnung."
Nach diesem Satz kam ich mir endgültig weltfremd vor. Dabei hatte ich zu meiner Zeit in München viel Erfahrung mit Nachtclubs gemacht. Beruflich natürlich. Aber die Preise?? Nein, danach hatte ich nie gefragt. 
  • "Na ja, 40,- € für eine halbe Stunde und 75,- € für die ganze Stunde auf dem Zimmer."
Plus Getränke wahrscheinlich. Meine Barfrau kam langsam auf Touren.
  • "Es gibt allerdings auch eine Flatrate."
  • "Flatrate??"
  • "Ja. Die beträgt 130,- € für den ganzen Tag und der Kunde kann 4 mal 30 Minuten mit einem Mädchen - oder mit 4 verschiedenen - auf´s Zimmer gehen."
Wow. Nicht schlecht!
  • "Das kann er über den ganzen Tag verteilen und sich zwischendurch an der Bar entspannen."
Ach - ich dachte, das auf den Zimmern WÄRE die Entspannung?! Ich bin wohl doch naiv. Nun hatte ich aber auch noch eine Frage.
  • "Und Sie als Barfrau sind von diesen....Aktivitäten auf den Zimmern ausgenommen?"
  • "Eigentlich schon. Nur wenn Stammkunden von Früher zu uns kommen, mache ich auch schon mal eine Ausnahme. Früher habe ich das während meiner Ausbildung als Nebenjob gemacht. Daher kenne ich noch einige Kunden."
Wir hatten unser Ziel erreicht: eine schäbige Beton-Halle in einem ebenso schäbigen Gewerbegebiet. An der Straße war kein Hinweis auf den "Club" zu sehen. Erst als ich am Gebäude entlang fuhr, entdeckte ich eine Leuchtreklame und - einen Eingang!


Sehr vertrauenserweckend!
  • "Nein, nein, das nur der Seiteneingang für Kunden, die nicht gesehen werden wollen.. Fahren Sie bitte noch ein Stück!"
Ich umkurvte die nächste Ecke und fand einen 2. Eingang, an dem ein unauffälliges Metallschild auf eine "Wandsbeker Autoreparaturwerkstatt" hinwies. Eine Briefkastenfirma? Nun ja, parallelen zum Arbeitsplatz meiner Kundin fand man auch in Autowerkstätten: Werkzeuge, Hebebühnen, Bohrer, usw..

Sie zahlte und verschwand im Haus. Nun hatte ich Zeit, mir dieses genauer anzusehen. Schauderhaft! Wäre ich vom Gesundheitsamt, hätte ich auf der Stelle ein Spezialkommando in Schutzanzügen bestellt und die Bude auf den Kopf gestellt... 
Neben all dem unschönen gab es allerdings auch etwas Amüsantes: die Leuchtreklame.



"Flat 99 - Nur Zuhause ist es günstiger!"

Und sauberer - mit Sicherheit. 

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